Lucia Cornelius

Reitpädagogik - Reitunterricht - Tierheilpraxis
Augsburg

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Reitpädagogik für Kinder

1. Grundlagen der Mensch - Tier - Beziehung

Biophilie

Biophilie gilt in der Mensch – Tier – Forschung als die Erklärung für die positive Wirkung von Tieren auf Menschen. Demnach fühlt sich der Mensch durch eine angeborene Biophilie zu anderen Lebewesen hingezogen. Er entstammt der Natur und ist somit Teil derselben. Deshalb kann er sich nicht ohne Natur vollends entwickeln und braucht diese um gesund zu bleiben. Ein körperliches, gefühlvolles und intellektuelles Einlassen auf das Leben und die Natur ist die Basis für die Entwicklung einer Person.
Das Wort “Biophilie“ stammt ursprünglich aus dem altgriechischen. “Bios“ bedeutet “Leben“ und “philia“ “Liebe“. Wörtlich übersetzt kann man also sagen, dass “Biophilie“ die “Liebe zum Leben“ meint.

Bedürfnisse der Menschen

Tiere befriedigen seelische Bedürfnisse. Sie sprechen unsere Gefühlswelt an und lassen Emotionen zu. „Gebraucht werden“ und „für jemanden da sein“ sind Beispiele menschlicher Bedürfnisse, die der Umgang mit Tieren befriedigt. Dadurch kann eine stabile Bindung aufgebaut und absolute Akzeptanz, sowie erwartungslose Zuneigung erfahren werden. Ein Gefühl von Schutz, Sicherheit und Geborgenheit entsteht. Im Vordergrund stehen außerdem das Verstanden-Werden, ohne sich erklären zu müssen, sowie das Erhalten von Anerkennung.

Du - Evidenz

Du - Evidenz meint, dass Verbindungen zwischen Mensch und Tier möglich sind, die analog den Beziehungen sind, die Menschen untereinander oder Tiere untereinander erleben. Sie besagt, dass der Mensch aus der Körpersprache die Gefühlslage seines Tieres ablesen kann. Damit ist er in der Lage, sich in das Tier hineinzuversetzen. Die Beziehung der beiden ähnelt somit einer Beziehung zweier Personen – das Tier wird vom “es“ zum “du“.
Sozial lebende Tiere, wie beispielsweise Pferde, eignen sich hierbei besonders für eine Beziehung zum Menschen, da sowohl Mensch als auch Tier in der Gemeinschaft gesellschaftliche und seelische Bedürfnisse befriedigen wollen.
Rein subjektiv betrachtet, handelt es sich um eine kameradschaftliche Beziehung. Das Tier wird zum Familienmitglied, erhält einen Namen und eine Individualität. Auch werden seine Bedürfnisse innerhalb der Familie genauso berücksichtigt wie die der Menschen.

2. Wirkungen von Tieren auf Menschen

Die tatsächliche Wirkung tierischer Einflüsse ist schwer feststellbar, da das Tier nur ein Medium in einem pädagogischen Konzept ist. Physiologische, psychische und soziale Wirkungen werden nicht allein vom Tier beeinflusst. Einfache Ursache – Wirkung – Zusammenhänge (wie beispielsweise durch Medikamente) sind nicht vorhanden.
Messbare Werte ergeben sich beim Streicheln eines Tieres. Dabei sinkt der Blutdruck. Des Weiteren setzt beispielsweise Lachen und Spielen mit Tieren Beta - Endorphine frei. Diese lindern Schmerzen, wirken beruhigend und erzeugen Frohsinn, was wiederum das Immunsystem positiv beeinflusst.
Besonders wichtig aber scheinen die mentalen und psychologischen Wirkungen zu sein, wie kognitive Anregungen und Aktivierungen, als auch die Förderung des emotionalen Wohlbefindens in Folge von Bestätigung, Trost und Zuneigung. Durch die Akzeptanz der Tiere kommt es zu einer Stabilisierung der Befindlichkeit, zu einem gesteigerten Selbstwertgefühl und einer Reduktion von Unsicherheit und Angst im Umgang mit sich selbst und mit anderen, sowie zu einer stark antidepressiven Wirkung.
Durch die Anwesenheit von Tieren wird das Gefühl der Einsamkeit reduziert und die Motivation, etwas zu unternehmen, gesteigert.

Einigen Studien zufolge, haben Menschen ohne Tiere eine geringere Chance, soziale Kontakte zu knüpfen. In Begleitung eines Tieres wirken Menschen sympathischer, interessanter und attraktiver. Damit erwecken sie einen kontaktfreudigen Eindruck. Somit können Tiere als „soziales Gleitmittel“ bezeichnet werden, die den Einstieg in zwischenmenschliche Kontaktaufnahme erleichtern und nach sich ziehende Kommunikationen ermöglichen.

Tiere als Entwicklungsbegleiter

Tiere haben eine besondere Anziehungskraft auf Kinder. Sie spenden Trost, sind immer “da“ und hören geduldig und verschwiegen zu. Sie widersprechen nicht, schimpfen nicht und stellen keine Fragen und Bedingungen.
Studien zufolge weisen Kinder, die mit Tieren aufgewachsen sind, ein besser entwickeltes Einfühlungsvermögen, Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein auf. Mit der Ausweitung des Denkens und Wissens im Verlaufe der Kindheit ist es immer mehr möglich, das Wesen und den Charakter des Tieres zu verstehen und einzuschätzen. Tierische Bedürfnisse müssen beachtet und Verantwortung übernommen werden. Hierfür ist ein Perspektivenwechsel notwendig, weg von den eigenen Bedürfnissen hin zu den Bedürfnissen der Tiere und Menschen in der Umgebung.
Ein Tier weitgehend selbst versorgen zu können, vermittelt Kindern Sicherheit und Selbstvertrauen. Ein Tier im Leben eines Kindes kann Freund und Spielgefährte sein und Anregungen für die Phantasie und Erlebnisfähigkeiten bieten.

Erziehungshilfe durch Tiere

Durch den Umgang mit einem Tier muss Verantwortung übernommen werden. Fürsorglichkeit und Empathie werden gesteigert, die das Kind auch auf seine Mitmenschen zu übertragen lernt.
Tiere können den Umgang zwischen Kindern untereinander, als auch zwischen Kindern und Erwachsenen vereinfachen. Die direkte Rückmeldung des Tieres über das Verhalten des Kindes kann oft einfacher angenommen werden, als eine Zurechtweisung der Eltern.

Kommunikationsförderung durch Tiere

Mit Tieren entstehen Geschichten und Erlebnisse, die gerne weitererzählt werden. Dabei trainieren die Kinder einerseits die Beobachtungsfähigkeit, als auch die Gedächtnisleistung. Das Erzählen der Tiergeschichten erfordert gleichzeitig Sprachvermögen und Sprachverständnis.
Die Kommunikation zwischen Mensch und Tier läuft hauptsächlich nonverbal ab. Studien zufolge beeinflusst diese nonverbale Kommunikation das Sozialverhalten positiv. Sie wiesen bessere soziale Integration und nonverbale Kommunikation auf, als Kinder / Jugendliche ohne Tiere.

3. Pädagogische Grundhaltungen meinerseits

In der Pädagogik müssen bestimmte Grundhaltungen beachtet werden, die die Entwicklung eines Kindes prägen. Diese sollen den Kindern und Jugendlichen Hilfestellungen sein, mit sich selbst und mit anderen klar zu kommen. Sie sind keine starren Prinzipien, sondern vielmehr Richtlinien, falschen Entscheidungen aus dem Weg zu gehen. Oftmals offenbaren sich die noch unbekannten Fähigkeiten des Kindes, wenn es sich trotz seiner Fehler völlig akzeptiert und respektiert fühlt.
Kindern und Jugendlichen soll durch die Arbeit mit Tieren die Möglichkeit gegeben werden, durch ihre eigenen Ideen problemlösend zu arbeiten, Verhaltensänderungen zu vollziehen und in ihrer Entwicklung voranzuschreiten.

Einfühlendes Verstehen und die Empathie

Bild: Elternatlas

Hierbei steht das Verständnis für die Situation des jungen Menschen im Mittelpunkt. Ziel eines Pädagogen ist es, die Situation durch die Augen des Kindes zu sehen.
Spiegelt der Pädagoge die Körpersprache des Klienten, z.B. durch Einnahme der selben Sitzposition, so gelingt es ihm, Sympathie und Anerkennung zu gewinnen. Paraphrasiert er dazu die verbale Kommunikation seines Gegenübers, so kann er einschätzen, ob seine Wahrnehmung mit den Aussagen übereinstimmt. Gleichzeitig erfährt das Kind, welchen Eindruck seine verbalen und nonverbalen Ausdrucksweisen erwecken.

Bedingungslose Annahme des Kindes

Diese gilt als zentrale Voraussetzung, um dem jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu akzeptieren. Dies wiederum ist die Basis für Selbstexploration. Nur wenn man sich selbst annehmen kann, ist man in der Lage, über bestimmte eigene Verhaltensweisen nachzudenken und diese daraufhin bewusst zu verändern.
Sich selbst akzeptieren zu können beinhaltet auch, sich seinen eigenen Ängsten zu stellen und diese zu bewältigen. Der Pädagoge tritt seinen Klienten stets mit Zutrauen und Vertrauen entgegen. Er ermöglicht so Selbsterfahrung. In Beachtung der Individualität jedes Menschen geht der Pädagoge auf die auftretenden Gefühle seines Klienten ein.

In der Arbeit mit dem Pferd hat der Pädagoge stets ein Auge auf den Reiter und das Pferd. Er führt das Pferd grundsätzlich an der Longe oder einem Führstrick. Die Übungen werden individuell auf den Klienten abgestimmt.

4. Möglichkeiten der Umsetzung

Zur Einheit „pferdegestützte Aktivität“ gehört grundsätzlich folgender Ablauf:

  1. Aussuchen eines geeigneten Pferdes
  2. Herrichten der benötigten Utensilien
  3. Holen des Pferdes aus dem Stall
  4. anschließendes Putzen und eventuelles Satteln
  5. Übungseinheit
  6. Putzen und Füttern
  7. In den Stall zurück bringen

Bild: Elternatlas

4.1 Übungseinheiten

Vertrauen durch nonverbale Kommunikation

Hier geht es darum, das Vertrauen eines Pferdes mittels Körpersprache zu gewinnen.
Der Klient treibt das Pferd vor sich weg. Er lernt dabei, im besonderen Maße auf die nonverbale Kommunikation des Tieres zu achten. Gleichzeitig antwortet er auf die Körpersprache des Pferdes mit seiner eigenen Körpersprache.
Das Pferd und der Klient lernen, eine gemeinsame, untereinander vereinbarte Kommunikation zu finden und etablieren diese. Das Pferd erfährt auf eine ruhige und sanfte Art, was der Klient möchte. Bei Kindern / Jugendlichen stärkt dies sehr das Selbstvertrauen und Ich-Bewusstsein.
Durchsetzungsvermögen und gegenseitige Akzeptanz, sowie aufeinander zugehen wird geschult.

Führen
  1. Wie mache ich meinem Pferd klar, dass es mit mir mitlaufen soll?
  2. Auf welche Weise wende ich mein Pferd ohne dass es mir auf den Fuß steigt?
  3. Und wie kann ich es anhalten oder rückwärtsrichten?
  4. Vielleicht bringe ich es ja sogar in einen kleinen Trab?!
Gleichgewichtsübungen auf dem Pferd

Viele Kinder haben oftmals Probleme, ihr Gleichgewicht zu halten. Folgende Möglichkeiten können dabei auf dem Pferd umgesetzt werden:

motorisch:

Mit Sattel:

  1. Reiten ohne Steigbügel
  2. Überkreuzbewegungen: z.b. rechter Arm zu linkem Ohr
  3. Strecken in alle Richtungen

Ohne Sattel:

  1. ohne Festhalten
  2. Überkreuzbewegungen
  3. Strecken in alle Richtungen
  4. Hinknien
  5. seitlich auf dem Pferd sitzen
  6. Rückwärts auf dem Pferd sitzen
  7. hinstellen

taktil:

  1. Schau nach oben
  2. Wie bewegt sich mein Pferd? Fühlen, welches Bein vorne ist

Visuell: Gerten von einem Hütchen in ein anderes transportieren
Auditiv: Reiten mit geschlossenen Augen
Sozial: gemeinsame Ballspiele

Durchsetzungsvermögen

Ein Pferd hat oftmals einen eigenen Willen. Beim selbstständigen Reiten trainiert der Klient, das Pferd dorthin zu dirigieren, wo er gerne hin möchte. Dies geschieht beispielsweise durch:

  1. Aufstellen eines Hütchenparcours
  2. Stangentraining
  3. Slalom-reiten
Natur genießen

Durch Ausritte erleben Kinder und Jugendliche die Natur aus einem anderen Blickwinkel. Sie spüren die Reaktionen des Pferdes auf Gegenstände oder mögliche Gefahren. Dabei lernen sie, die Natur aus der Sicht des Pferdes kennen. Gleichzeitig ermöglicht ein Ausritt Entschleunigung und lässt den Alltag hinter sich.
Ein Pferd ist in der Lage, einen Menschen psychisch als auch physisch zu tragen. Dabei muss der Reiter sich auf sein Pferd verlassen und ihm vertrauen können. Sich einfach mal durch Wiesen und Wälder tragen zu lassen ist ein wunderschönes Gefühl!